Die ZEIT hat in Ausgabe Nr. 6/2016 eine Titelstory zum Thema Ernährung veröffentlicht (Der Kult ums gesunde Essen). Darin wird im Artikel „Die Religion des Essens“, geschrieben von Susanne Schäfer, behauptet, dass in Deutschland wohl viele Menschen ein schlechtes Gewissen haben, wenn es um ihre Ernährung geht (Was darf ich noch essen?) und dass diese Menschen (laut Artikel gibt es wohl viele davon) sich abmühen, ihre sogenannte Selbstoptimierungspflicht zu erfüllen. Also verfallen sie aus Unkenntnis, „was denn das Richtige sei“, diversen Ernährungslehren, die eine Ersatzreligion darstellen und deren Gurus sie folgen.

Als sogenannte Gurus werden dann die Aushängeschilder des Veganismus (Atilla Hildmann) und der Paleo-Ernährung (Nico Richter) in Deutschland bemüht. Es hagelt Kritik an einer 30-Tage Challenge, während derer man selbst eine bestimmte Ernährungsweise testet. Schlussfolgerungen aus persönlicher Erfahrung zu ziehen ist für die Autorin wohl nicht besonders hilfreich bzw. empfehlenswert.

Im Weiteren wird von Dogmatik gesprochen. Seltsam, dass der Paleo-Anhänger Nico Richter grundsätzlich vor Getreide warnt und dann später zugibt, dass er auch mal eine „normale“ Pizza esse. Was für ein Dogmatiker..:-)

Bezüglich der im Raum stehenden Frage, welche Nahrungsmittel gesund sind wird der Leser pauschal beglückt: Milch, Getreide, Zucker: ist alles gar nicht schlimm. Unreflektiert wird erwähnt, dass sich die Studienlage der Wissenschaft – und damit die Botschaften, welche die Wissenschafter, z.B. die von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V. (DGE) verbreiten – oftmals ändert. Dennoch wird von der ZEIT grundsätzlich alles als okay befunden, was die DGE derzeit als gut einstuft. Man hätte auch den Schluss ziehen können, dass die Empfehlungen der Wissenschaft mit höchster Vorsicht zu genießen sind, weil sie sich eben so häufig ändern. Aber diesen Schluss zieht die ZEIT nicht.

In Interview mit der Soziologin Eva Barlösins stellt die ZEIT dann in den Raum, dass heute viele Menschen über ihre Ernährung nachdenken. Sie bemerkt dazu: „Ich mache mir gar keine Gedanken und esse eigentlich alles“. Diese Aussage macht sie natürlich zur Expertin: Ich denke nicht darüber nach aber ich äußere mich natürlich zu dem Thema!

Weiterhin bezeichnet Eva Barlösins die Probleme mit Essen in Europa als minimal (alles wird kontrolliert und es gibt ausreichend zu essen). Vielleicht hat sie nicht darüber nachgedacht, dass die Probleme möglicherweise genau darin liegen, dass die Menschen zu viel und zu ungesund essen? Auch die ZEIT hat über Probleme mit Übergewicht in Europa berichtet und eine Studie der WHO erwähnt, wonach sich dieses Problem noch verschärfen wird.

„Wenn man sich entschieden hat (für eine Ernährungslehre) kann das entlasten“ fährt Eva Barlösins fort und zeigt das Menschenbild, welches hinter derartigen Aussagen steckt: ein fehlgeleiteter unsicherer Zeitgenosse, der alles glaubt, was ihm eine bestimmte Gruppe vorgibt? Vermutlich niemand, der selbst ausprobiert, was für ihn gut ist und dann selbstsicher dazu steht.

Die Titelstory der ZEIT fand ich erschreckend. Ich kann nur jedem Folgendes raten – und das sollte eigentlich selbstverständlich sein:

  • Folgt keiner Ernährungsweise ohne selbst getestet zu haben, was gut für euch ist!
  • Folgt keiner Selbstoptimierungspflicht! Wer sich „optimieren“ möchte – und damit meine ich diejenigen, die gesund, leistungsfähig und unbeschwert sein möchten – der sollte bitte objektiv für sich selbst herausfinden, was gut ist und das dann auch machen. Wer „optimiert“ sein möchte und dann jeden Tag Cola, Pizza und Torte genießt und dabei noch den ganzen Tag rumsitzt, sollte sich darüber im Klaren sein, dass man auch einen Preis zu zahlen hat und diesen zahlt man um etwas zu erreichen und nicht um einer Dogmatik zu folgen.
  • Glaubt bitte nur Leuten, die sich aus eigener Erfahrung mit einer Thematik auskennen. Bitte glaubt nicht die Aussagen einer Soziologin zum Thema Ernährung, wenn diese von sich selbst behauptet, sie denke über ihr Essverhalten nicht nach.

Ich schließe mit einem Zitat von Nassim Taleb „This business of journalism is about pure entertainment, not the search for the truth…Most so-called writers keep writing and writing with the hope, some day, to find something to say.